Awareness Manifest
Wir als AG Awareness der Bewegung „Erde Brennt (Innsbruck) – Uni besetzen“ stehen für die antidiskriminierenden, regenerativen, solidarischen und gemeinschaftlichen Praktiken ein, die unsere Bewegung ausmachen (sollen).
Wir wollen einen Raum kreieren, in dem Menschen mit verschiedenen Lebensrealitäten und Erfahrungen zusammenkommen, der für alle so sicher wie möglich ist, in dem alle ihre Stimme nutzen können und gehört werden. Also wollen wir einen Raum schaffen, in dem wir lernen die ausschließenden und diskriminierenden Denkmuster und Handlungspraktiken, die wir unser Leben lang gelernt haben und nach denen wir handeln, zu verlernen.
Stattdessen wollen wir lernen wirklich solidarisch zu sein und Sorgearbeit kollektiv zu leisten. Es ist wichtig bestehende Machtdynamiken sichtbar zu machen und gemeinsam gegen sie zu arbeiten, sodass Sorgearbeit nicht nur von bestimmten Gruppen, sondern gemeinschaftlich getragen wird.
Wenn unterschiedliche Menschen mit diversen Hintergründen zusammenarbeiten, kann es zu Konflikten und Unstimmigkeiten kommen. Wir sprechen uns für eine positive Konfliktkultur aus, in der Differenzen und Kränkungen angesprochen, sowie Fehler eingestanden werden können, und auf angebrachte Weise – von der Gemeinschaft geleitet – gelöst werden.
Awarenesskonzept – Erde Brennt Innsbruck
Was heißt „Awareness“ überhaupt?
** Übersetzt heißt „Awareness“ Achtsamkeit
** Bei Awarenness geht es vor allem darum, die Grenzen anderer Menschen zu respektieren. Jedoch ist es auch wichtig, auf die eigenen Grenzen zu achten!
** Awareness richtet sich gegen jegliche Form der Diskriminierung. Menschen werden wegen ganz Verschiedenem diskriminiert. Um eine unvollständige Liste zu nennen, gibt es Diskriminierung aufgrund des Alters, des Aussehens, des Geschlechts, der Sexualität, der Herkunft, der Klasse, der Hautfarbe oder einer Be_hinderung*.
** Awareness richtet sich somit klar gegen verschiedene (systemische) Diskriminierungsformen wie Sexismus, Homophobie, Klassisismus, Ableismus, Rassismus und viele weitere!
** Awareness ist ein gemeinschaftlicher Reflexionsprozess, da sich nicht von heute auf morgen jegliche Diskriminierungsformen in einem Raum aufheben lassen. Dieser Prozess geht uns alle an, denn wir alle tragen zu der Atmosphäre in einem Raum bei.
** Das Ziel von Awareness ist es, auf einen Raum hinzuarbeiten, in dem Menschen mehr Rücksicht aufeinander nehmen und mehr Verständnis füreinander haben. Wichtig ist zu betonen, dass es hierbei um einen aktiv diskriminierungsärmeren Raum gehen soll, wo sich Menschen sicherer und wohler fühlen können. Wo wir gewisse strukturelle Vorteile haben, wollen wir diese nutzen, um gemeinsam dieses Ziel zu verwirklichen.
** Ein zentraler Punkt von Awareness ist es, diskriminierten Personen Ruhe, Gehör und Schutz zu bieten.
** Der Fokus bei der Awareness-Unterstützung liegt dabei auf der betroffenen Person und nicht auf der diskriminierenden/gewaltausübenden Person!
** Awareness ist stark ans Handeln geknüpft: es geht darum, dass mensch (geschlechtsneutrale Alternative zu „man“) selbst klar Position für den betroffenen Menschen bezieht, sich mit ihm solidarisiert („verbündet“) und Unterstützung anbietet.
** Unterstützer*innen werden vor allem dann aktiv, wenn sie darum gebeten werden, da Awareness auf Konsens basiert.
Glossar
Ableism: die Diskriminierung von Menschen mit körperlicher, geistiger oder psychischer Beeinträchtigung und/ oder Behinderung
Able-bodied: Menschen ohne körperliche Beeinträchtigung/ Behinderung
Care Arbeit: (meist unbezahlte) Tätigkeiten des sich-sorgens/ kümmerns, um z.B Kinder und Pflegebedürftigen, Hilfe unter Freund*innen, Haushaltsarbeiten uvm., welche überwiegend von weiblich gelesenen Personen geleistet werden und als für sie naturgegeben gehandelt werden
Cis-Gender: all diejenigen, die sich mit der bei der Geburt bestimmten und eingetragenen binären Geschlechtsidentität (männlich/ weiblich) identifizieren
Definitionsmacht: wir alle haben unterschiedliche Grenzen und Erfahrungen. Definitionsmacht bedeutet, dass die betroffene Person die Macht hat zu definieren, wann für sie eine Diskriminierung vorliegt und diese Sichtweise von anderen nicht in Frage gestellt wird. Die betroffene Person erzählt (wenn möglich) auch in ihren eigenen Worten, was sie erlebt hat. Diese Schilderung wird eins zu eins übernommen und nicht mit als angemessener angesehenen Begriffen ersetzt.
Dichotomie: Zweiteilung, hier in Bezug auf das binäre Geschlechtssystem in weiblich und männlich
Dyadisch: Als dyadisch (oder endogeschlechtlich) werden Menschen bezeichnet, die nicht inter sind, also deren Körper in eine eindeutige medizinische Norm von männlichen bzw. weiblichen Körper passen.
Eurozentrismus: beschreibt die Beurteilung nicht-europäischer Kulturen aus der Perspektive europäischer Werte und Normen
Error-Friendly Space: ein Raum in dem wir uns als Individuen verstehen, die konstanten Lernprozessen unterliegen (müssen), zu welchen es naturgemäß gehört auch Fehler zu machen. Diesen Fehlern wird nicht mit Bestrafung entgegengetreten sondern mit der Hilfestellung zum aufarbeiten, verstehen und besser machen.
FLINTA*: Abkürzung für: Female – Lesbian – Inter – Non-Binay – Trans – A-Gender – *
- Frauen: diejenigen, die sich als weiblich identifizieren
- Lesben: diejenigen, die sich als weiblich und homosexuell definieren
- Intergeschlechtlich, diejenigen, die von Geburt an “weibliche“ und „männliche“ Geschlechtsmerkmale aufweisen
- Nicht-binär, diejenigen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen
- Transgender, diejenigen, die sich nicht mit dem zur Geburt zugeordneten binären Geschlecht identifizieren: trans Frauen und trans Männer
- A-Gender, diejenigen, die sich keinem Geschlecht zuordnen
- *, diejenigen, die durch den Nachteil patriarchaler Strukturen betroffen sind und sich nicht in den Kategorien „F-L-I-N-T-A“ wiederfinden, demnach: keine cis-Männer sind
Heteronormativität: Weltanschauung, die Heterosexualität als Norm auffasst
Intersektionalität: Ungleichheiten/ Diskriminierungen werden nicht isoliert betrachtet, sondern als miteinander verwoben und gleichzeitig gesehen. Daraus resultiert z.B anzuerkennen, dass eine Frau, die weiß ist weniger Diskriminierung erfährt, als eine Frau die zudem von Rassismus und/ oder Ableismus betroffen ist.
– ismen: ist ein Wortteil, mit dem verschiedene Formen von Diskriminierung zusammenschließen, weil viele von ihnen mit „-ismus“, der Einzahl von „-ismen“ enden, wie „Sexismus, Rassismus, Faschismus“. Im gängigen aktivistischen Sprachgebrauch werden aber auch andere Formen der Diskriminierung hier eingeschlossen, wie „Homo-, Trans- oder Islamophobie“ und viele weitere. In unserem Text meinen wir mit „-ismen“ jede vorherrschende Form der Diskriminierung, gegen die wir uns konsequent aussprechen.
Konsens: eine zurechnungsfähige Person stimmt ausdrücklich und freiwillig einer Handlung zu. Nur ein freies Ja heißt auch Ja. Nur wenn mensch weiß, wozu mensch Ja sagt, ist es ein Ja. Bezüglich Awareness bedeutet, dass nichts über den Kopf der betroffenen Personen hinweg unternommen wird, sondern nur mit deren Einwilligung.
Mediation: gemeinsame, strukturierte und moderierte Konfliktaufarbeitung mit am Konflikt nicht direkt beteiligten und möglichst neutralen Personen, die durch konstruktive Vermittlung, Hilfestellung zur Konfliktlösung leisten
Mikroaggression: sind schwer zu definieren, aber leicht zu veranschaulichen. Meistens sind sie laut der Ausübenden „nicht böse gemeint“ und können als Versehen oder Nichtigkeiten abgetan werden, richten aber deshalb nicht weniger Schaden an. Um eine Mikroaggression handelt es sich zum Beispiel, wenn die Aussagen einer Person (wiederholt) ignoriert werden oder wenn Personen (wiederholt) unterbrochen werde. Mikroaggressionen können auch Sätze sein, wie „Man sieht Dir gar nicht an, dass Du trans bist“ oder „für mich sind alle Menschen gleich, egal welche Hautfarbe sie haben“. Aber auch fehlende Barrierefreiheit ist eine Mikroaggression. Durch internalisierte Machtverhältnisse sind insbesondere diejenigen Opfer von Mikroaggression, die von Diskriminierung betroffen sind.
Parteilichkeit: eine Grenzverletzung wird als solche akzeptiert und die Wahrnehmung der betroffenen Person wird nicht in Frage gestellt. Es wird sich für die Sicht und Forderungen der Betroffenen eingesetzt.
Patriarchat: Gesellschaftsordnung bei der, der cis-Mann die bevorzugte Stellung hat
Queer: Sammelbegriff für all diejenigen, die von der Cisgender – Heteronormativität abweichen
Restorative/ Transformative Gerechtigkeit: meint die Praxis der Veränderung von Konflikten und ihren unterliegenden Strukturen duch Wiedergutmachung. Dabei stehen die Betroffenen (und die Gemeinschaft) im Fokus, um Lösungen zu ermöglichen.
White Supremacy: „weiße Vorherrschaft“, „Überlegenheit der Weißen“. Rassistische Idelogien und Herrschaftszustände welche auf der Annahme beruhen, dass Menschen mit europäischen Vorfahren – Weiße genannt – anderen Menschen prinzipieell überlegen seien und ihre privilegierte Stellung daher gewährleistet werden müsse.